Dienstag, 19. Februar 2019

Wer kämpft kann gewinnen!


Für unsere Kolleg*innen in Indien, Bangladesch und Sri Lanka war der Januar ein Monat voller Arbeitskämpfe. Teilweise gehen sie immer noch weiter.

Am 8. und 9. Januar streikten über 200 Millionen Arbeiter*innen in Indien gegen die Politik der gegenwärtigen Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi. An den Streik und Protesten beteiligten sich auch unsere Kolleg*innen der GATWU in Bangalore und GAFWU in Chennai. Grund für den Streik, zu dem fast alle Gewerkschaften in Indien aufgerufen haben: die Regierung kürzt bei den ohnehin spärlichen Sozialversicherungen, schränkt Gewerkschafts- und Beschäftigtenrechte ein, tut nichts gegen die hohen Preissteigerungen für Dinge des alltäglichen Bedarfs und schweigt angesichts schlimmer Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und in ihren eigenen Reihen. An den Streiks haben Kolleg*innen teilgenommen, die unter anderem in Bekleidungsfabriken arbeiten, die für H&M, Zara, Otto und Primark produzieren. Unsere Kolleg*innen von GAFWU wurden sogar für ihre Teilnahme am Streik vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen!


Etwa zur gleichen Zeit streikten und protestierten hunderttausende Arbeiter*innen in Bangladesch für einen höheren Mindestlohn. In der Bekleidungsindustrie in Bangladesch gelten unterschiedliche Mindestlöhne, je nach Tätigkeit. Die Regierung reagierte mit Repression, die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Protestierenden zu vertreiben. Der Mindestlohn war erst Ende 2018 nach fünf Jahren erstmals wieder auf 8.000 Taka (ca. 84€) für die niedrigste Lohngruppe erhöht worden, doch Arbeiter*innen und Gewerkschaften forderten mindestens das Doppelte für ein Leben in Würde. Deswegen kam es zu erneuten Protesten. Die Arbeiter*innen und Gewerkschaften konnten einen Erfolg erringen: der Mindestlohn wurde nach den Protesten nochmals erhöht auch wenn er immer noch weit von den ursprünglich geforderten 16.000 Taka entfernt liegt. In manchen Lohngruppen um wenige Cent, in anderen um bis zu fünf Euro pro Monat.


Allerdings reagieren Regierung und Unternehmerverbände mit Repression auf diesen Arbeitskampf. Laut unseren Kolleg*innen von der NGWF wurden über 11.000 Arbeiter*innen gekündigt, Hunderte sind noch immer in Polizeigewahrsam, über 3.000 Arbeiter*innen wurden angeklagt. Laut Presseberichten waren diese Arbeiter*innen unter anderem bei Zulieferern für H&M, Zara, Walmart und Next beschäftigt. Für die Gewerkschaften in Bangladesch ist klar: Regierung und Unternehmen versuchen mit allen Mitteln, die Arbeiter*innen zu schlagen - und den Erfolg und die Erfahrung gemeinsamen solidarischen Handelns vergessen zu machen. Gewerkschaften in Bangladesch protestieren gegen die Repression und unterstützen die betroffenen Arbeiter*innen, darunter auch unsere Kolleg*innen der National Garment Worker Federation. Sie fordern die sofortige Wiedereinstellung der Kolleg*innen und ein Ende der Repression. Dazu haben sie einen Kampagne gegen die Politik der Regierung und des Arbeitgeberverbandes gestartet und planen auch die Einkäuferunternehmen in die Pflicht zu nehmen.



Mit Repression haben auch unsere Kolleg*innen aus Sri Lanka zu kämpfen. Das Unternehmen ATG stellt Arbeitshandschuhe u.a. für Logistikunternehmen her und Mitglieder der Gewerkschaft Free Trade Zones & General Services Employees Union (FTZ&GSEU) sind dort seit Jahren gewerkschaftlich aktiv. Nun reagiert die Geschäftsleitung aber mit einer neuen Stufe der Repression gegen fünf Gewerkschafter*innen der FTZ&GSEU. Das Management hat fünf unserer Kolleg*innen entlassen. Die fünf KollegInnen machen den Kern der Betriebsgewerkschaft aus. Der Grund für die Kündigung: weil sie 2015 eine Blutspendekampagne(!) im Unternehmen gestartet haben, ohne dies mit der Geschäftsleitung abzusprechen. Die Belegschaft antwortet auf diesen Angriff mit Streik - solange bis die Kolleg*innen wieder eingestellt sind. Die Handlungen des Managements von ATG reihen sich ein in eine Reihe von gewerkschaftsfeindlichen Maßnahmen: die Betriebsgewerkschaft wird trotz 95% Unterstützung durch die Belegschaft nicht anerkannt und langjährigen Gewerkschaftsmitgliedern werden zustehende Sonderzahlungen verweigert.



Auch wenn dies über 6.000 Kilometer entfernt von uns passiert: vieles erkennen wir wieder. In den kommenden Monaten stehen bei uns Tarifverhandlungen an und die Unternehmer stellen mal mehr, mal weniger offen den Flächentarifvertrag in Frage. Gemeinsam mit ver.di kämpfen wir für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag im Einzelhandel, damit bei uns gute Arbeitsbedingungen durchgesetzt sind. Auch Union Busting – also Schikane, Kündigung und Einschüchterung von aktiven BR-Kolleg*innen und Gewerkschafter*innen gibt es bei uns. Dies nimmt (noch?) keine Ausmaße an, wie bei unseren Kolleg*innen in Südasien. Das liegt aber nicht daran, dass wir in Europa sind: Als Kolleg*innen der Gewerkschaft SI-COBAS aus Italien im vergangenen Jahr auf der H&M-Betriebsräteversammlung waren, haben sie auch von Inhaftierungen von Gewerkschafter*innen berichtet – weil sie in Logistikzentren für H&M gute Arbeitsbedingungen erkämpfen wollten. Wie mit uns umgegangen wird, ist immer eine Frage, wie stark wir sind und gut wir als Betriebsräte, Beschäftigte und Gewerkschafter*innen organisiert sind. 





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