Für
unsere Kolleg*innen in Indien, Bangladesch und Sri Lanka war der Januar ein
Monat voller Arbeitskämpfe. Teilweise gehen sie immer noch weiter.
Am
8. und 9. Januar streikten über 200 Millionen Arbeiter*innen in Indien gegen die
Politik der gegenwärtigen Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi. An den
Streik und Protesten beteiligten sich auch unsere Kolleg*innen der GATWU in
Bangalore und GAFWU in Chennai. Grund für den Streik, zu dem fast alle
Gewerkschaften in Indien aufgerufen haben: die Regierung kürzt bei den ohnehin
spärlichen Sozialversicherungen, schränkt Gewerkschafts- und
Beschäftigtenrechte ein, tut nichts gegen die hohen Preissteigerungen für Dinge
des alltäglichen Bedarfs und schweigt angesichts schlimmer Fälle von sexueller
Belästigung am Arbeitsplatz und in ihren eigenen Reihen. An den Streiks haben
Kolleg*innen teilgenommen, die unter anderem in Bekleidungsfabriken arbeiten,
die für H&M, Zara, Otto und Primark produzieren. Unsere Kolleg*innen
von GAFWU wurden sogar für ihre Teilnahme am Streik vorübergehend in
Polizeigewahrsam genommen!
Etwa
zur gleichen Zeit streikten und protestierten hunderttausende Arbeiter*innen in
Bangladesch für einen höheren Mindestlohn. In der Bekleidungsindustrie in
Bangladesch gelten unterschiedliche Mindestlöhne, je nach Tätigkeit. Die
Regierung reagierte mit Repression, die Polizei setzte Wasserwerfer und
Tränengas ein, um die Protestierenden zu vertreiben. Der Mindestlohn war erst
Ende 2018 nach fünf Jahren erstmals wieder auf 8.000 Taka (ca. 84€) für die
niedrigste Lohngruppe erhöht worden, doch Arbeiter*innen und Gewerkschaften
forderten mindestens das Doppelte für ein Leben in Würde. Deswegen kam es zu
erneuten Protesten. Die Arbeiter*innen und Gewerkschaften konnten einen Erfolg
erringen: der Mindestlohn wurde nach den Protesten nochmals erhöht auch wenn er
immer noch weit von den ursprünglich geforderten 16.000 Taka entfernt liegt. In
manchen Lohngruppen um wenige Cent, in anderen um bis zu fünf Euro pro Monat.
Allerdings
reagieren Regierung und Unternehmerverbände mit Repression auf diesen
Arbeitskampf. Laut unseren Kolleg*innen von der NGWF wurden über 11.000
Arbeiter*innen gekündigt, Hunderte sind noch immer in Polizeigewahrsam, über
3.000 Arbeiter*innen wurden angeklagt. Laut Presseberichten waren diese
Arbeiter*innen unter anderem bei Zulieferern für H&M, Zara, Walmart und
Next beschäftigt. Für die Gewerkschaften in Bangladesch ist klar: Regierung und
Unternehmen versuchen mit allen Mitteln, die Arbeiter*innen zu schlagen - und
den Erfolg und die Erfahrung gemeinsamen solidarischen Handelns vergessen zu
machen. Gewerkschaften in Bangladesch protestieren gegen die Repression und
unterstützen die betroffenen Arbeiter*innen, darunter auch unsere Kolleg*innen
der National Garment Worker Federation. Sie fordern die sofortige
Wiedereinstellung der Kolleg*innen und ein Ende der Repression. Dazu haben sie
einen Kampagne gegen die Politik der Regierung und des Arbeitgeberverbandes
gestartet und planen auch die Einkäuferunternehmen in die Pflicht zu nehmen.
Mit
Repression haben auch unsere Kolleg*innen aus Sri Lanka zu kämpfen. Das
Unternehmen ATG stellt Arbeitshandschuhe u.a. für Logistikunternehmen her und
Mitglieder der Gewerkschaft Free Trade Zones & General Services Employees
Union (FTZ&GSEU) sind dort seit Jahren gewerkschaftlich aktiv. Nun reagiert
die Geschäftsleitung aber mit einer neuen Stufe der Repression gegen fünf
Gewerkschafter*innen der FTZ&GSEU. Das Management hat fünf unserer
Kolleg*innen entlassen. Die fünf KollegInnen machen den Kern der
Betriebsgewerkschaft aus. Der Grund für die Kündigung: weil sie 2015 eine
Blutspendekampagne(!) im Unternehmen gestartet haben, ohne dies mit der
Geschäftsleitung abzusprechen. Die Belegschaft antwortet auf diesen Angriff mit
Streik - solange bis die Kolleg*innen wieder eingestellt sind. Die Handlungen
des Managements von ATG reihen sich ein in eine Reihe von
gewerkschaftsfeindlichen Maßnahmen: die Betriebsgewerkschaft wird trotz 95%
Unterstützung durch die Belegschaft nicht anerkannt und langjährigen
Gewerkschaftsmitgliedern werden zustehende Sonderzahlungen verweigert.
Auch
wenn dies über 6.000 Kilometer entfernt von uns passiert: vieles erkennen wir
wieder. In den kommenden Monaten stehen bei uns Tarifverhandlungen an und die Unternehmer
stellen mal mehr, mal weniger offen den Flächentarifvertrag in Frage. Gemeinsam
mit ver.di kämpfen wir für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag im
Einzelhandel, damit bei uns gute Arbeitsbedingungen durchgesetzt sind. Auch
Union Busting – also Schikane, Kündigung und Einschüchterung von aktiven
BR-Kolleg*innen und Gewerkschafter*innen gibt es bei uns. Dies nimmt (noch?)
keine Ausmaße an, wie bei unseren Kolleg*innen in Südasien. Das liegt aber
nicht daran, dass wir in Europa sind: Als Kolleg*innen der Gewerkschaft
SI-COBAS aus Italien im vergangenen Jahr auf der
H&M-Betriebsräteversammlung waren, haben sie auch von Inhaftierungen von
Gewerkschafter*innen berichtet – weil sie in Logistikzentren für H&M gute
Arbeitsbedingungen erkämpfen wollten. Wie mit uns umgegangen wird, ist immer
eine Frage, wie stark wir sind und gut wir als Betriebsräte, Beschäftigte und
Gewerkschafter*innen organisiert sind.
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